Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Heiß wie die Hölle - 42,195km in 3:58h.

Kategorie: Verausgabt

Startnummer 71 beim 3. Volksbank-Münster-MarathonIch bin eigentlich gut vorbereitet. Nur die Prognosen! Es wird warm werden. Viel zu warm. Und die Kohlenhydrate hängen mir zum Halse heraus.

Freitag, 3.9.2004

Ich fahre zum Steingymnasium. Dort ist die Startunterlagenausgabe. Dort treffe ich einige bekannte Gesichter: "Viel Erfolg!" Die Marathon-Messe ist sehr überschaubar- ist ja auch ein recht überschaubarer Lauf. Per Telephon, Anrufbeantworter, SMS und E-Mail kommen eine Menge guter Wünsche.

Und der Lomo Oktomat wird geliefert. Das ist eine Plastikkamera, die in Serie innerhab von zweieinhalb sekunden acht winzige Bilder auf ein Negativ macht. Diese will ich mitnehmen, statt der sonst immer gehabten Einwegkamera. Da kann man sozusagen Bewegungsabläufe mitnehmen smile

Der Tag davor

Spätnachmittags kommt Peter, um ein paar Beutel Powergel für km 37 als Notfallreserve abzuholen.

Tag X

Ulf im StartblockIch stehe um sechs Uhr auf, damit ich noch ein Frühstück verdauen kann. Fülle die Wasserspeicher auf. Mache meine Klamotten fertig. Werde nervös. Gewicht nach dem Aufstehen: 65 Kilogramm. Mal sehen, was diesmal übrigbleibt.

Warm solls werden. Ich hatte diverseste Online-Wetterdienste abgefragt. Ich mag Hitze nicht wirklich.

Kleidersackabgabe an der Überwasserschule. Latsche zum Hindenburgplatz. Dixiklo benutzen (froh sein, daß man Mann ist, obwohl- in Münster ging es noch mit den Dingern, bei den großen Läufen, besonders in Berlin, waren die Teile ziemlich übel...)

km Null

Wie üblich: stockend setzt ich das Feld nach dem Startschuß in Bewegung. Beim Gymnasium Paulinum schlage ich mich noch mal in die Büsche. Der letzte Urin vor 16:00 Uhr...
Im Startblockim Startblock
Mein Puls ist schon ab Start recht hoch. Hitze, Aufregung? Egal. Ich werde ihn ignorieren und die Uhr mehr beachten und nur zusehen, daß der Puls nicht gar zu hoch kocht. Ich fühle mich ja eigentlich sehr gut.

km 6 oder 7 oder so

Kettelerstraße 22- hier haben wir bis Februar 1999 gewohnt.
Genau bei km 7 fragt mich eine Dame, was ich denn so vorhabe. "Irgendwas unter vier, wenns klappt." Sie stellt fest, daß sie viel zu schnell ist. Ich laufe genau 41 Minuten.
Das Kreuzviertel ist leider etwas eng und kurvig. Aber das macht mir nicht wirklich viel aus...

Bei

km 14

UnterwegsDer Aaseesehe (und überhole) ich den ersten, der Probleme mit seiner Form zu haben scheint. Er läuft sehr sonderbar, guckt sehr angestrengt und gibt beim Atmen absonderliche Laute von sich. Wir umrunden den Zentralfriedhof und schlängeln uns Richtung Gievenbeck. An der Musikschule spielt eine Oldie-Band "Hit the Road, Jack" - Na, wenn das nicht paßt.

Unterwegs

Etwa bei

km 17,

beim Fachhochschulzentrum, sehe ich den ersten am Boden liegen, die Beine hochgehalten bekommend von einem Helfer. Der Notarzt ist schon zu hören.

Halbzeit

GievenbeckUnter zwei Stunden, sehr gut. Wenn nichts dazwischen kommt, werde ich wohl knapp unter vier Stunden ins Ziel laufen. Wenn.../>

In den etwas belebteren Gebieten ist die Stimmung super. Bei

km 24,5

danke, mir geht es gut!wieder mal im Einkaufszentrum Gievenbeck, wo wie immer ein "PowerPoint" ist. (Das Microsoft noch nicht geklagt hat... wink ). Dort steht Peter mit Freunden. Wenn K. durch ist, wird er nach km 37 wandern und Beutel mit Powerschleim bereithalten. Im Grunde würde ich mich ganz gerne in die Eisdiele setzen. Schließlich bin ich Eisoholiker.

Der Moderator ruft mich aus. Ich fühle, wie meine Waden härter werden. Aber ich bin noch fit. Bei km 26 etwa steht Angelika von 1A, und dann geht es schon beim Ratio um die Ecke auf die Roxeler Straße, wo Gernot, unser Ex-Stationsarzt steht und mir irgendetwas anfeuerndes zuruft. Hier steigt die Straße permanent ein wenig an. Gibt aber schlimmeres, richtige Wellen zum Beispiel. Kurz vor

km 30

Laufen, laufen, laufen...Wieder ein "Kraftpunkt", und zwar, wenn ich es noch recht wahrnehme, auf dem Pantaleonplatz. So langsam spüre ich den Marathon. Und mein Tempo. Ich bin genau passend in der Zeit. Aber jetzt kommt publikumsmäßig eine Durststrecke, außerdem spüre ich die Hitze. Ich habe das Gefühl, in meinem Magen schwappt höchst unvorteilhaft eine Suppe aus Powergel und Wasser. Und sie scheint daran nichts ändern zu wollen, jedenfalls bleibt sie, wo sie ist. Manchmal möchte ich mich gerne übergeben, um dies Geglucker loszusein...

Ich ziehe die Konsequenz und verzichte auf den letzten zehn Kilometern ganz aufs trinken. Ich müßte es auch so schaffen.

Zwischendrin: Johannes. Angelika aus meinem Ausbildungskurs. Lange nicht gesehen. Und Dr. Landgraf und Petra aus dem EKG.

km 35,5 bzw. 26

Krankenwagen. *Schluck*
Auf der Roxeler Straße gibt es Gegenverkehr

Kurze Zeit später klemme ich im berühmten "Team Kenia" (welches alle Jahre wieder im Baströckchen antritt) fest. Ich würde eigentlich gerne überholen. Aber die laufen alle nebeneinander. Und rufen kann ich nicht mehr wirklich, also füge ich mich. So laufe ich wenigstens nicht Gefahr, mich völlig zu verausgaben. Peter jedoch, den ich ziemlich genau bei 37 ausmache, kann mich nicht sehen. Aber ich brauche eh keine Verpflegung mehr. Bei dem Gedanken daran laufen die Beine schon wie von selbst. Nur noch fünf Kilometer! "Kannst Du mir nicht ein bißchen von Deiner Power abgeben?" - "So viel ist da auch nicht mehr!" antworte ich demjenigen, den ich da gerade überhole. Ein seltsames Phänomen: Ich bin im Grunde völlig fertig. Dennoch werden die Kilometer kürzer statt länger.

km 40

Wieder am Zentralfriedhof vorbei. Innerlich muß ich grinsen: etwas makaber, nicht wahr?

Ich muß nicht mehr weit! Schon bin ich bei 41. Und sehe einen, dem die Beine wegknicken. Zwei Helfer versuchen ihn aufzurichten. Doch er knickt wieder ein. Wie bitter, so kurz vor dem Ziel. Ob er es doch noch schafft? Ich zweifle arg daran. Simone aus meinem Kurs. Manu von meiner Station und Werner. Eine Kurve noch, rauf auf den Horsteberg, über Kopfsteinpflaster in den Zielkanal. Am Rande nehme ich schemenhaft das tosende Publikum wahr. Unter vier Stunden! Mein Traum wird wahr!

42,195

Ich habe es geschafft. Ich habe mein Ziel erreicht. Länger hätte ich auch nicht gekonnt. Ich muß mich erstmal setzen. Irgendwo im Schatten beim Lambertibrunnen. Ein wildfremder Mensch spendiert mir Wasser. Von wegen sture Westfalen! Vielen Dank.

Der Mann mit dem Hammer ist hinter mir hergelaufen. Erwischt hat er mich nicht!


Verzapft am 09. August 2010, so um 07 Uhr 30

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Kommentare

Was sagt chefarzt dazu?

10. August 2010 um 21 Uhr 52 (Permalink)

Mehr von den Marathon-Posts. Echt super! Unter 4 Stunden wäre auch mal ein Ziel von mir. Vielleicht klappts ja im Oktober ...

Eigenen Senf dazugeben?

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