Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Pflegenotstand, gewollt.

Kategorie: Vergangen

Der Pflegenotstand droht schon lange nicht mehr.

„(...), der Pflegenotstand ist seit vielen Jahren unser ständiger Begleiter. Pflegende kompensieren seit vielen Jahren das ständige Versagen der Politik. Nur um es deutlich zu diffferenzieren: In der Politik wird Pflegenotstand als Form des Personalmangels begriffen. Tatsächlich meint Pflegenotstand aber eine „innere Not“ der Pflegefachperson, welche in der Arbeitsrealität erkennt, dass sie nicht die Pflege praktizieren kann, welche eigentlich für den betreuten Menschen wichtig wäre. Das führt auf Dauer entweder zur „Erkaltung“ oder zum „Burnout“; in jedem Fall lässt sich die therapeutische Beziehung zum Patienten so nicht aufrecht erhalten.“ (Michael Huneke, DBfK, via GoodCare.de)
Die Pflege liegt tot im Krankenhausbett.
Schon lange werden Pflegekräfte gnadenlos verheizt. Kanonenfutter. Die Realität läßt viele KollegInnen verzweifeln, versagen und ausbrennen. Schöne Dinge lernt man in der Ausbildung. Doch wozu? Wie sollen die von der fallpauschalisierten Hektik des real existierenden Alltags gehetzten SchwesterInnen und Schwestern noch Maßnahmen wie Basale Stimulation, Kinästhetik und vieles mehr unterbringen? Selbst für ein pflegerisches Gespräch ist die Zeit recht mager, und im Hinterkopf tickt erbarmungslos das Zeiteisen und erinnert daran, was alles gerade liegenbleibt: Papierkram. Checklisten. Dokumentation. Ach ja, und andere PatientInnen ja auch noch so nebenbei.

Hauptsache, die Pflege ist billig. Billig um jeden Preis. PatientInnen, BewohnerInnen und KlientInnen zahlen ihn doppelt. Denn sie sind diejenigen, die dem Mangel nicht entfliehen können. Dem Mangel an Zuwendung, ja auch an lebenswichtiger Versorgung.

Jedes Mittel ist recht, Personal einzusparen und dies zu rechtfertigen mit angeblichen Finanzproblemen, die manches Mal nur schwer zu glauben sind angesichts der Dienstfahrzeuge der Direktion beispielsweise.
Und wirklich jedes Mittel. Die Sparwut ist zumindest bei den Altenheimen offenbar so weit gediehen, daß mindestens zwanzig Prozent dieser noch weniger Pflegekräfte beschäftigen als gesetzlich vorgeschrieben. Wobei die gesetzliche Vorschrift schon dürftig genug ist.

Kümmern tut sich anscheinend niemand so richtig darum. Vielleicht, weil die Kümmerlinge ihre Angehörigen dank ihrer großzügigen Bezüge besser unterbringen können? Keine Ahnung.
Das Personal wird verheizt. Die Kundschaft wird verheizt. Was zählt, ist der Gewinn. Der finanzielle, nicht der menschliche.


Dank an Big Al für den Link zum Welt.de-Artikel.

Verzapft am 01. Oktober 2011, so um 19 Uhr 17

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Kommentare

Was sagt Westsideblogger dazu?

01. Oktober 2011 um 23 Uhr 04 (Permalink)

Ich habe das mit dem Gesundheitssystem irgendwie nicht verstanden. Wieso wird Geld und Marktmacht zur bestimmenden Größe? Es sollte doch um die Gesunderhaltung und notwendige Pflege der kranken Menschen gehen. Ich glaube, ich bin zu naiv für ein solches System...

Was sagt Ulf, der Größte, dazu?

Kommentar vom Scheff hier am 01. Oktober 2011 um 23 Uhr 11 (Permalink)

Sollte. Der Mensch ist dem System unterworfen. Immer mehr Kliniken werden privatisiert und an gewinnorientierte Krankenhauskonzerne wie Ameos, Rhön-Kliniken, hassenichesehn verscherbelt, zum Teil fürn Appel und n Ei. In der Altenpflege sieht es nicht anders aus. Das Geld sitzt immer weniger locker, aber alle wollen immer mehr davon.

Langes und kompliziertes Thema. Da wird ohne Ende geschachert und getrickst. Der Patient ist Kunde, Krankenhaus und Heime sind Dienstleistungsunternehmen. Auch wenn vielfach anders behauptet steht nicht der Mensch im Mittelpunkt, sondern die Diagnosecodes und Fallpauschalen und was sich da rausholen läßt.

Was sagt Dieter dazu?

02. Oktober 2011 um 01 Uhr 22 (Permalink)

Ich wunderte mich, warum nicht mehr über eins der schwierigsten Fachgebiete bzw. den Problemen im Gesundheitswesen, der Pflege etc. und dem Ministerium berichtet wird. War doch bei Frau Schmidt ganz anders - oder? Die war ständig im Fernsehen. Musste sich näselnd rechtfertigen und ...und ... und nun? Seit es ein Ministerium der FDP geworden ist tut sich nichts - so einfach ist das. Was war ich naiv. Und sonst? Dein Kommentar ist klasse.

Was sagt G. Nervt dazu?

21. Dezember 2011 um 22 Uhr 06 (Permalink)

Die ganze Situation schön auf den Punkt gebracht. Frust und tw. Verzweiflung sind mittlerweile meine täglichen Begleiter bei der Arbeit. Wie willman unter solchen Bedingungen nur Leute finden, welche in diesem Bereich arbeiten wollen???

Was sagt Ulf, der Größte, dazu?

Kommentar vom Scheff hier am 21. Dezember 2011 um 22 Uhr 35 (Permalink)

@G.Nervt: Die, die wollen, weden jedenfalls gnadenlos ausgebeutet und verheizt, bis sie nicht mehr können.

Was sagt Pflegenotstand dazu?

11. März 2012 um 17 Uhr 23 (Permalink)

Die pflegebedürftigen Menschen haben es mit unqualifiziertem Pflegepersonal zu tun. Viele Heime sehen hier mit offenen Augen zu, dulden sogar den Pflegenotstand, nur damit keine teuren Betten leer stehen. Mangel- und Unterernährung, Fixierungen, Wundlegung und zur Ruhigstellung ein Dauerberuhigungsmittel sind dann für die Senioren häufig Ergebnisse solcher menschenunwürdigen Zuständen. Unsere Eltern und Großeltern haben ein Recht auf ein würdevolles Lebensende.

Was sagt lothar dazu?

09. August 2012 um 14 Uhr 16 (Permalink)

Pflegenotstand in Deutschland ein wichtiges Thema.

Wir werden immer mehr Pflegepersonal benötigen. Unsere Gesellschaft wird immer älter und somit auch kränker. Aber auch unsere Kinder brauchen eine anständige und liebevolle Betreuung, um im späteren Leben eine echte Chance zu haben.
Der richtige Weg kann somit nur sein:
bezahlt diese Berufe endlich anständig
bezahlt die Ausbildungsstellen angemessen
schafft endlich bessere Arbeitsbedingungen, um Familie und Beruf in Einklang zu bringen und
schafft Aufstiegsmöglichkeiten in den Sozialberufen, dass auch junge, ausgebildete Menschen eine Zukunftsperspektive haben und nicht sofort nach der Lehre das Handtuch schmeißen.

Eigenen Senf dazugeben?

Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.

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