Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Unter der Käseglocke.

Kategorie: Verrueckt

Das erste Mal war es schwierig, doch nach kurzer Eingewöhnungszeit gefiel es mir gar nicht so schlecht in der Klapse. Zuletzt, während meines „Klinikmarathons“ 2007, fühlte ich mich dort sogar wohler als draußen. Draußen war feindlich, gefährlich und böse. Drinnen, unter der Käseglocke, war ich sicher vor der „normalen“ Welt und nicht zuletzt auch vor mir selbst. Dass die Türen mancher Stationen nicht immer und nicht für jeden gleichermaßen offen waren war mir nur recht.

Von mir 2007 gemaltes Bild Einblick - Großes Auge mit Leiter zur Pupille, die ich heraufklettere. Oranges Fass links unten im Bild.Drinnen waren die Normalen. Die echten Normalen. Die, die mich verstanden, auch wenn sie zum Teil aus anderen Gründen in der Psychiatrie waren. Ich denke, ein psychisch Kranker versteht jeden anderen psychisch Kranken besser als ein „Normaler“ es tut. Denn er kennt den Ausnahmezustand als solchen und das mangelnde Verständnis der restlichen Welt. Das allein ist schon eine Menge wert.

Viel „Therapie“ lief auch untereinander ab, ähnlich wie in einer Art Selbsthilfegruppe. Wir stützten uns gegenseitig oder ließen uns in Ruhe, wenn nötig. Wenn das nicht reichte, holte man sich seinen Bedarf ab (bei mir meist 30 Tropfen Promethazin).

Kaum war ich draußen, war ich auch wieder drinnen. Bis zuletzt, nachdem ich endlich die Kurve bekam. Ende November-Anfang Dezember 2007 überlegte ich, vielleicht doch weiterleben zu wollen und arbeitete darauf hin, wieder so fit zu werden, wie es mir möglich sei. Tatsächlich hatte ich mich ursprünglich (für den Fall des Überlebens) in einer geschützten Werkstatt und einer betreuten WG gesehen- doch bezog ich bald wieder eine eigene Wohnung und arbeitete eine ganze Weile wieder erfolgreich als Krankenpfleger. Das war damals ein wichtiger Erfolg. Dass ich nun doch etwas anderes machen muss ist kein Problem. Damals wäre es das jedoch gewesen.

Die Heimaturlaube taugten nur begrenzt zur Auswilderung, aber als ich von meiner neuen Wohnung aus die Tagesklinik in Münster aufsuchte kam wieder Normalität ins Spiel. Und ich wollte nie wieder in die Klinik. Nicht, weil ich es schlecht gefunden hätte- sondern weil ich nicht wieder so schlechten Zustandes sein wollte, dort hinzumüssen.

Seit dem Frühjahr 2008 bin ich außerhalb der Käseglocke. Ich habe meine Liebste. Das hilft ungemein.

Verzapft am 12. Oktober 2013, so um 18 Uhr 47

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Kommentare

Was sagt Chrissi Flauschkrähe dazu?

12. Oktober 2013 um 19 Uhr 29 (Permalink)

Oft schafft man es eher, aus so einer Käseglocke raus zu kommen oder nicht wieder hinein zu gelangen, wenn man Jemanden hat, der Einem den nötigen Halt gibt! Bei meinem Mann war ich das und unser ungeborener Sohn, die ihn (unwissentlich und teils auch wissentlich) angetrieben haben, aus dem Mist raus zu kommen.
Wenn man den Rückhalt hat und nutzen kann, sollte man das auf jeden Fall tun.

Was sagt nickel dazu?

14. Oktober 2013 um 11 Uhr 17 (Permalink)

"Ich denke, ein psychisch Kranker versteht jeden anderen psychisch Kranken besser als ein „Normaler“ es tut."

Kann ich absolut unterstreichen. Mir ist auch aufgefallen, dass wir Wissenden irgendwie eine Art magische Anziehungskraft auf andere Wissende haben. Es ist wirklich unglaublich, wie durchzogen mein gesamter Freundeskreis von Wissenden ist. Nur sehr wenige Unwissende sind noch geblieben, der Rest hat mich in den dunklen Stunden sitzen gelassen. (Damit mache ich ihnen aber keinen Vorwurf. Es war für beide Seiten besser. Das ständige Rechtfertigen und Erklären macht einen einfach kaputt.)

Übrigens empfinde ich heute oftmals die Unwissende als fürchterlich langweilig. Nicht alle, aber die meisten.

Und sehr viele Wissende, vor allem die mit Depression, sind irgendwie echt gute Menschen, mit viel mehr Feingefühl und Verständnis.

Eigenen Senf dazugeben?

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