Nachtgespräch.
Kategorie: Verdingt
Ich habe Angst vor den Untersuchungen...
Vor den Untersuchungen oder vor dem, was dabei herauskommen könnte?
Vor letzterem. Ich denke, es WIRD etwas herauskommen. Nichts gutes.
So sicher?
Ich hatte neun Jahre Ruhe und gar nicht mehr daran gedacht. Bin nur zur Nachsorge immer hingegangen. Und dann sagte der Doktor auf einmal: "Ich sehe etwas, was da nicht hingehört!" - Dann ging das los mit Chemo und so, Sie sehen ja, wie ich aussehe. Keine Haare, keine Augenbrauen, Wimpern, nichts, der Mund ist total kaputt, der Bauch voller Wasser, und der Rest wird immer dünner... Und die Metastasen sind bisher trotz der Chemo größer und mehr geworden...
Ja... Das klingt nicht gerade ermutigend. Was ich tun kann, ist im Augenblick vor allem, Ihnen Ihre derzeitige Situation zu erleichtern.
Sie könnten mir gleich nochmals Eiswürfel bringen für den Mund, der quält mich sehr, so kaputt wie der ist...
Wissen Sie, ich habe so gar keine Lebensqualität mehr... Zu Hause kann ich kaum noch raus, einmal die Woche kommt meine Schwester und geht mit mir eine kleine Runde um den Pudding, aber dann wars das auch schon, mehr schaffe ich einfach nicht. Der Krebs hat mich irgendwie total ausgesaugt.
Eis kommt gleich. Ich will nichts schönreden, Positives Denken finde ich ausgesprochen doof und albern. Aber ich bin für realistisches Denken, das beinhaltet sowohl das schlechte als auch das restliche gute. Sie kommen gelegentlich heraus. Sie haben viel Besuch von Ihrer Familie und von FreundInnen. Und von dem Seelsorger aus Ihrer Pfarre, Pater XY. Das ist immerhin mehr als nichts. Ihre Zeit mag begrenzt sein, aber Ihnen ist doch noch etwas geblieben: Die Menschen halten in schwerster Zeit zu Ihnen. Das ist schon was wert.
Meine Zeit... Ich bin der Überzeugung mittlerweile, der vergangene Sommer war mein letzter...
Das kann gut sein. Aber genau wissen kann das keiner. Auch ich, der ich schon hunderte todkranker Menschen begleitet habe, kann das nicht voraussehen. Versuchen Sie, Ihrer verbliebenen Zeit etwas abzugewinnen. Auch wenn das nicht so einfach ist. Aber noch leben Sie erstmal....
Danke... Ich werde es versuchen. Und jetzt erstmal etwas schlafen, denke ich. Gucken Sie nachher noch mal rein?
Natürlich. Ich lasse Sie nicht allein. NIEMANDEN.
Verzapft am 23. Oktober 2009, so um 02 Uhr 53
Kommentare
Was sagt Krokofantilein dazu?
23. Oktober 2009 um 03 Uhr 55 (Permalink)
Mein Schatz, ich finde gerade keine Worte...
ich bin froh sie kennengelernt zu haben und ich bin dankbar, dass ich so wenigstens noch begleiten kann, auf ihrer Reise nach Hause...
ich finde so schön wie Du mit Deinen Patienten immer so einfühlsam bist, und gerade bei ihr ist es mir besonders wichtig! :-*
Was sagt Patrick dazu?
25. Oktober 2009 um 10 Uhr 12 (Permalink)
Ich hatte gestern bei meiner Abendrunde vor Feierabend ein ähnliches Gespräch mit einem Patienten der jetzt 3 Wochen lang innerhalb des Klinikums herumgereicht und von fast jeder Art Facharzt untersucht wurde (Z.n. Unverträglichkeit nach Kontrastmittel, neue Herzrhythmusstörungen)und ca. einmal im Jahr bei uns wegen neuer Metastasen in der Lunge aufkreuzt. Ich kann nur sagen dass ich dich da bewundere wie du das Gespräch geführt hast, als Berufsanfänger hat mich das extrem viel Kraft gekostet.
Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.