Eine ganz gewöhnliche Nacht in einem ganz gewöhnlichen Krankenhaus: Arschwischen.
Kategorie: Vergangen
"Ich bewundere, daß Du das kannst! Ich könnte das nicht, anderen Leuten den Hintern abwischen!"
Ne, is klar. Das ist auch meine Hauptbeschäftigung, Ärsche abzuputzen. Wenn es danach ginge, müßte auch jeder bewundert werden, der sich selbst das Gesäß nach dem
Kacken reinigt.
Von mir aus bewundert mich, aber nicht dafür. Für mich ist Kot Kot, ob es nun meiner ist oder ein fremder. Auch der Papst muß mal kacken, und das riecht sicher auch nicht nach Weihrauch. Und von hinten sehen alle gleich aus, ob Banker oder Penner.
Vergangene Nacht habe ich exakt einen Arsch abgeputzt und zweimal jemandes Stuhlgang bewundert, ob und wieviel Blut darinnen sei. Waren etwa ein und drei Eßlöffel, falls es jemanden interessiert. Mehr hatte ich mit Arsch und Stuhlgang nicht zu tun.
Gegen viertel nach zwei meldete sich Herr C., ein schwer krebskranker Patient, wegen starker Schmerzen. Das läßt sich beheben, und er bekam entsprechende Medikamente. Und sagte: "Wenn ich jetzt zu Hause wäre, ich würde mich erschießen. Vor zwei Wochen war ich schonmal kurz davor." - Ziemlicher Tobak. Klang ernstgemeint. Die Existenz entsprechender Waffen bestätigte er. Nein, hätte er keine Schmerzen, würde er auch nicht so denken, antwortete er auf meine Frage. "Dann wäre es sicherlich sinniger, Sie von Ihren Schmerzen zu befreien, oder?" - Es dauerte etwas, bis ich ihn soweit hatte, daß ich entspannt gehen konnte. Es war nicht einfach gewesen, ihn zu überzeugen, daß es keinen Sinn macht, sich abzumurksen, solange es noch Möglichkeiten gibt.
Gegen halb vier hatte ich dann Herrn O. (metastasierender Blasenkrebs -blutend, daher mit Spülkatheter-, COPD und weiteren Unerfreulichkeiten, ausgemergelt, bettlägerig) endlich überzeugt: Er klingelte nur für die Erneuerung der Spüllösung oder wenn der Katheter verstopft war. Irgendwann hatte ich ihm gesagt, er wäre mir zu bescheiden, er solle sich gefälligst auch mal für seine anderen Bedürfnisse melden. Und wenn es für ein Gespräch sei.
Tat er irgendwann dann auch:
"Erst kam der Krebs. Und dann die Metastasen..."
"Das war schwer für Sie, als Sie das erfahren haben, denke ich?"
"Oh ja..."
"Ihnen geht es jetzt auch ziemlich schlecht. Kann ich etwas für Sie tun?"
"Ich weiß nicht recht..."
"Wie meinen Sie denn, wie es weitergehen soll?"
"Ich will sterben."
"Sind Sie sich sicher?"
"Absolut... Ich denke, einen Monat habe ich noch."
"Hm. Sie verstehen, daß ich das nicht beeiflussen kann. Ich kann auch nicht sagen, ob Sie recht haben damit, WIE lange das dauert. Was ich machen kann ist, Ihnen die Zeit, die Ihnen noch bleibt, etwas zu erleichtern."
"Ja..."
"Sie haben mehr Luftnot als vorhin, wie ich das sehe. Stimmts oder hab ich Recht? Dafür zum Beispiel dürfen Sie sich auch gerne melden. Luftnot ist widerlich, ich hab das einmal gehabt, das hat gereicht. Soll ich mal was dagegen tun?"
"Ja, bitte..."
Ich zog fünf Milligramm Morphin auf.
"Morphin ist ja eigentlich ein Schmerzmittel, wie Sie wissen. Aaaaaaber, das Zeug kann noch mehr: Es dämpft zum einen das Atemzentrum und außerdem senkt es auch noch den Sauerstoffbedarf." (Und es entspannt und euphorisiert etwas)
Eine halbe Stunde später atmete er wesentlich entspannter und war sichtlich zufrieden.
Eine ganz gewöhnliche Nacht in einem ganz gewöhnlichen Krankenhaus.
Natürlich wische ich auch mal Ärsche ab.
Verzapft am 18. Januar 2010, so um 15 Uhr 22
Kommentare
Was sagt Ma Rode dazu?
18. Januar 2010 um 15 Uhr 52 (Permalink)
Sei Dir meiner ungeteilten Bewunderung sicher, Ulf!
Was sagt tiggel dazu?
23. Januar 2010 um 17 Uhr 37 (Permalink)
Sehr ansprechend wie Du geschrieben hast.
Kompletiert mein Bild von Dir.
Erlebe es hier in der CH auch so, das es nicht so doll auf "Arsch-abwischen" reduziert wird.
Aber dennoch sind die allermeisten Tätigkeiten unbekannt.
Nach dem Motto "wie, das ist auch deine Aufgabe".
Danke
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 23. Januar 2010 um 23 Uhr 09 (Permalink)
Danke, Ihr zwei!
Was sagt bierbauch dazu?
25. Januar 2010 um 07 Uhr 32 (Permalink)
@herr c:
was für möglichkeiten gibt es denn da noch, wenn er so krank ist?
@arschabwischen:
ich finde schon, daß es einen unterschied macht, ob man seinen eigenen oder einen fremden arsch abwischt.
mache zufällig beruflich auch so schweinereien wie arschabputzen, kann aber sagen, daß ich mich vor fremden ärschen bei der arbeit, also in meiner beruflichen rolle, nicht ekel, zu hause aber scheiße ins klo gehört, aber jeder für sich.
Was sagt Richard Metze dazu?
31. Januar 2010 um 11 Uhr 31 (Permalink)
Toller Artikel Ulf!
Ich denke, das wir das alle so, oder so ähnlich, Tag für Tag erleben.
Bei mir denken viele Menschen, das ein Altenpfleger den ganzen Tag mit Omi´s und Opi´s durch den Park läuft und kurz vor dem Feierabend wird dann noch schnell was vorgelesen oder "Mensch ärgere Dich nicht" gespielt und natürlich die obligatorische "Windel" gewechselt.
Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.