Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Haben oder nicht- das Leben im Griff.

Kategorie: Verrueckt

Die meisten sagen, ich (also ich) habe es geschafft. Nach der letzten Episode meiner rezidivierenden (also wiederkehrenden) Depression, in der ich zwei Jahre mehr in der Psychiatrie war als zu Hause, in welcher kaum einer (ich selbst am allerwenigsten) glaubte, ich käme wieder einigermaßen auf die Beine, nach dieser letzten Episode also und einer mühsamen Wiedereingliederung ins Erwerbsleben führe ich ein scheinbar normales Leben.

Meine Stimmung ist üblicherweise gut bis sehr gut.

Ich arbeite ganz normal wie alle anderen auch und werde nicht mehr geschont. Wechselschichten, Nachtdienste, Einspringen, Ausbilden, alles ganz normal. Vielleicht bin ich nicht so gut wie andere (außer auf der Psychoschiene natürlich biggrin ), aber voll belastbar.

Alleine bin ich auch nicht mehr und lebe seit einem halben Jahr mit meiner Liebsten zusammen.

Ich habe etwas abgenommen. Ich bin kreativ.

Die meisten denken, ich bin normal. Bin ich aber nicht.
Ein Rest läuft mir noch hinterher. Klingt gut: Prokrastination. Bedeutet weniger gut: Aufschieberitis. Ich habe meine Arbeit besser im Griff als mich selbst. Und dann auch noch meine Liebste, der Depressionen und ADHS das Leben erschweren: Prokrastination.

Uns fällt das Erledigen unangenehmer Aufgaben mehr als schwer. Rechnungen, überhaupt Bürokratie, Haushalt, Aufräumen... was den meisten anderen leicht fällt, ist für uns sehr mühsam.

Aufräumen- als ich allein lebte, war das gar kein Thema. Warum auch: störte ja niemanden, wie ordentlich oder unordentlich es bei mir aussah. Bei meiner Liebsten das gleiche. Kochen (eigentlich eins meiner Hobbies)- Küche ist zu unordentlich: Wat nu? Stülleken oder Bringdienst.

Mittlerweile werden wir immer organisierter. Doch leicht fällt uns das nicht, auch wenn alle meinen, das Leben und das drumherum sei doch nicht schwer. Doch wir müssen alles planen und die Zähne zusammenbeißen. Arbeiten ist leichter.

Nun sind wir recht spießig geworden: Ich gehe zur Arbeit, sie organisiert (heißt nicht: macht alles alleine, sondern managed) den Haushalt. Etwas traditionell mag das klingen, Mann=Beruf, Frau=Hausfrau, ist aber derzeit das einfachste.

Noch immer ist das alles recht mühsam für uns, doch sind wir auf einem guten Weg. Wenn er auch steiniger ist für uns als für andere. Hauptsache, das Leben ist schön. Auch, wenn manches für uns anstrengender ist als man glaubt.

Wir leben. Wir lieben uns. Wir lieben das Leben. Den Rest kriegen wir auch noch hin.

Verzapft am 08. April 2010, so um 08 Uhr 13

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Kommentare

Was sagt psychoMUELL dazu?

08. April 2010 um 08 Uhr 23 (Permalink)

Alles im Job schaffen und danach Probleme?
Schon seltsam oder? Kommt mir bekannt vor.

Du bist gut drauf mit Pillen und deiner jetzigen sozialen Struktur? Ist das so o.k, für dich? Du wirst die Pillen weiterhin nehmen?

Was sagt Ulf, der Größte, dazu?

Kommentar vom Scheff hier am 08. April 2010 um 08 Uhr 28 (Permalink)

Nun, auch wenn die Stimmung bestens ist, ist die Selbstorganisation schwierig. Im Dienst ist das irgendwie anders, da ist die Struktur eh vorhanden und außerdem mache ich das schon ewig.

Für andere Verantwortung zu übernehmen fällt mir irgendwie leichter als für mich selbst.

Was sagt psychoMUELL dazu?

08. April 2010 um 08 Uhr 35 (Permalink)

wie kenne ich das nur sad

Was sagt Benedicta dazu?

09. April 2010 um 23 Uhr 30 (Permalink)

"was den meisten anderen leicht fällt, ist für uns sehr mühsam."
Ich verrat dir was: das "es fällt den anderen leicht" ist eine grooooße Lüge - die tun bloß so... Ich persönlich kenne niemand (wirklich niemand), der gerne aufräumt. Ok, meine Oma hatte einen Putzfimmel - der ging aber mehr in Richtung Zwangsneurose.
Ich selber bin in Punkto Putzen eher bipolar - mal lass ich alles liegen ("kreatives Chaos" wink , und dann wieder packt mich die Putzwut und ich räume Schränke aus und um...
Krankhaft ist das alles erst, wenn man SELBST darunter leidet (oder andere gefährdet). Ansonsten - who cares?

Was sagt Christian Schmidt dazu?

11. April 2010 um 09 Uhr 42 (Permalink)

Hallo Ulf,

die "psychoMUELL" Susanne hat mich auf deine Seite gebracht.

Auch mir geht es ähnlich... Ich bin seit 2004 in einer rezidivierenden Depression, wie ich dachte. Ende 2008 verschlimmerte sich das ganze so, das ich in Psychotherapie ging. Das hat auch soweit ganz gut geholfen erstmal überhaupt wieder eine Grundstruktur zu finden.

Im Februar begann ich mit Antidepressiva. Citalon war das Mittel der Wahl, Hochdosiert bis 40mg.

Alles war gut, ich begann immer besser Strukturen zu entwickeln, wurde "Leistungsfähiger" und habe es manchmal sogar geschafft zuhause zumindest die Spülmaschine anzuschalten oder die Waschmaschine zu starten bevor ich keine Klamotten mehr hatte.

Mitte 2009 verlor ich meinen Job. "Wiederholte Fristversäumnisse bei Verwaltungsaufgaben machen es uns leider unmöglich ihren Vertrag zu verlängern". Toll.

Ich stürzte jetzt in ein richtiges Loch. Ausgeprägte Suizidalgedanken, völlige Nutzlosigkeit und Schuldgefühle verfolgten mich. Als ich mit meinem Psychiater sprach war schnell klar: Ich werde in die stationäre Psychiatrie gehen.

Dort wurde festgestellt, oh das ist keine reine Depression, sondern eine Bipolare Störung. Hey, das erklärt, dass ich manchmal Bäume ausreißen konnte! Und dann noch mit "rapid Cycling" - Das erklärt warum das manchmal nur Stunden oder Tagesphasen waren...

Daraufhin wurde mein Antidepressivum auf 20 mg abdosiert, dafür kam Quilonum als Lithiumpräparat dazu.

Ich war rund 3 Monate in der Psychiatrie, eigentlich eine relativ gute Zeit, aber vor allem die einzig richtige Entscheidung.

Nachdem ich raus war habe ich zwar immernoch das Nutzlosloch gehabt, aer das habe ich ganz gut mit ehrenamtlicher Arbeit in der Aidshilfe in den Griff bekommen.

So richtig viel besser ging es mir, nachdem wir jetzt nochmal an den Medikamenten gedreht haben. Citalon wieder auf 40 mg, dazu Lamothrigin. Das Dosieren wir gerade hoch, aber das wirkt jetzt chon richtig gut. Die Bude ist so aufgeräumt wie lange nicht mehr, ich habe die Kraft ein paar Dinge anzupacken, die mich vor dem Finanziellen Ruin retten - Soweit alles ganz gut...

Aber in mir drin ist immernoch Chaos. Ohne von au0en zugeführte Ordnung und Planung geht garnichts. Es gibt bei uns jetzt einen ausgearbeiteten Putzplan, nach dem Modell der spuernasen.info . Kann ich jedem nur empfehlen! Maximal 10 Minuten pro Raum pro Tag plus Tagesraum. Das geht meißt. Das Problem ist zumindest bei mir ja nicht das tun, sondern das Anfangen.

Was hilft euch am meisten beim Anfangen? Suasanne sagte, das du auch Lithium nimmst, was für Erfahrungen hast du damit?

Achjs, und ich schreibe das nicht um dich oder andere zu belasten, sondern um einfach mal meine Situation zu zeigen, und das es bei mir irgendwie auch unstrukturiert im inneren ist, und doch wieder ganz anders als bei dir.

Eigenen Senf dazugeben?

Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.

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