Deutsch in Kaltland. II.
Kategorie: Verrueckt
Früher war irgendwie alles anders als heute. Selbst als ich nur wenige Tage im Krankenhaus verbrachte wegen meiner Ohrgeschichte (wer's genau wissen muß: Tympanoplastik Typ1) kam eine Delegation mich besuchen, und während meiner endlosen Aufenthalte in den verschiedenen Klapsmühlen kam immer mal wieder jemand vorbei. Nach dem ersten Mal klebte von meiner damaligen Chefin ein Schild am Spind: " Lieber Ulf: Guten Morgen und <3-lich willkommen! Einen guten Start wünschen Dir Deine Kollegen / -innen u. wir freuen uns auf Dich..."
Seit vorhin klebt dort gar nichts mehr. Es wird nicht weiter auffallen, denke ich. Das macht auch nichts. Nobody knows you when you're down and out. Ich dachte, alle haben mich gern. Aber doch wohl nur, solange ich eine gewisse Leistung erbringe. Mittlerweile bist Du nur so viel wert, wie Du erschuftest. Während die Bedingungen immer härter werden. Bist Du nur eingeschränkt leistungsfähig, dann hast Du verloren. Was Du einst geleistet hast, in besseren Zeiten, als Du noch konntest, als Du noch die Lügen glaubtest, freiwillig, ohne jemals ein Dankeschön dafür zu erhalten, das zählt nicht mehr. Niemand will mehr etwas von Dir wissen. Auch wenn anderswo anderes behauptet wird. Es nützt nichts, sich den Arsch aufzureißen. Es wird Dir niemals gedankt. Nur vergessen, wenn man Dich nicht mehr verbrauchen kann.
Willkommen im Kapitalismus.
Niemand will mehr etwas von Dir wissen.
Niemand. Nur Deine wahren Freunde.
Auf diese aber kann ich mich absolut verlassen.
Das zählt.
Verzapft am 21. Mai 2011, so um 17 Uhr 20
Kommentare
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 21 Uhr 17 (Permalink)
Ich finde das heutzutage auch ganz schlimm. Als sei der Zustand "fit", wenn nicht gar "superfit", die Norm. Als könne man das einfach so einfordern.
Kein Gedanke daran, dass "fit" ein Zustand ist, um den man einfach dankbar sein muss, wenn man ihn hat. Und dass dieser Zustand höchstwahrscheinlich nicht von ewiger Dauer oder selbstverständlich ist.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 21 Uhr 38 (Permalink)
Ich finde schlimm, daß sich diese Haltung durch die ganze Gesellschaft, auch die betroffenen Schichten, zu ziehen scheint...
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 22 Uhr 00 (Permalink)
Es ist einfach unglaublich.
Oder die Leute haben kein Rückgrat. Bzw. sie lassen sich einfach anstecken, unhinterfragt, wie damals, beim GröFaZ.
Nix gelernt.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 22 Uhr 02 (Permalink)
Anstecken... ich weiß nicht. Ich glaube einfach, das färbt ab.
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 22 Uhr 06 (Permalink)
In Spanien gehen sie gerade auf die Strasse. Ich hoffe, es bringt was.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 22 Uhr 10 (Permalink)
Gegen die Kälte? Ich glaube nicht. Auch hier wird sich nichts ändern. Jedenfalls nicht zum Guten. Wer schwach ist, wird immer schneller untergehen.
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 22 Uhr 14 (Permalink)
Ich glaube, bei denen steht es wirtschaftlich SEHR viel schlimmer. Die kosten den Kapitalismus bis zum letzten Tropfen aus.
Aber ich habe jetzt nicht extra nachgelesen. Der Markus von http://www.textundblog.de informiert gerade darüber (v.a. auf Twitter).
Diese Kälte kommt aus der Industrie. Die wollen den seelenlosen, automatisierten Menschen, damit sie möglichst viel Geld machen.
Ein Schlagwort habe ich mal gehört: "Die Ökonomisierung des Lebens."
Scheiss BWLer.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 22 Uhr 17 (Permalink)
Naja, das Qualitätsmanagement kommt ja auch aus der Industrie. Nur werden Industrienormen auch in sozialen Bereichen gefordert, wo sie ja nun überhaupt nicht hingehören. Überall wird der Mensch ausgepreßt und ausgesaugt. Und selbst unter KollegInnen scheint man nur noch etwas wert zu sein, wenn man der Norm entsprechend Leistung bringt.
Ich bin raus. Vielleicht kommt auch noch der Tag, an dem ich als unnützer Mitesser auch organisch entsorgt werde. Wie damals(TM).
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 22 Uhr 21 (Permalink)
Hoffentlich wachen die Leute hier mal auf. Weitergehen kann es so nicht. Aber so viele sind einfach blind. Bis es sie selbst trifft. Und dann geben sie komplett auf. Was nun auch nicht gut ist.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 22 Uhr 24 (Permalink)
Vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich da mehr Solidarität gespürt. Gefühl. Ich war trotz meiner Krankheit etwas wert. Nun werde ich ausgesondert, und die Menschen, von denen ich dachte, sie mögen mich, haben mich vergessen.
Diese Welt ist nichts für mich. Ich schaffe mir meine eigene. Denn die Moralvorstellungen, die in den Leitbildern und Arbeitsverträgen stehen, gelten nur für den Plebs, nicht für die Firma.
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 22 Uhr 29 (Permalink)
Mir hat mal eine langjährige Bedienung in einer Gaststätte gesagt, mit dem Euro sei plötzlich alles schlimmer geworden.
Ich hoffe wirklich, dass das nur eine Phase ist. Auf die Dauer lässt sich eine solche Kälte nicht durchhalten.
Ich schaffe mir auch meine eigene Welt. Geht nicht anders. Oder ich lande doch noch in der Klinik. Oder wo auch immer. Ich will mir meine Lebensqualität erhalten. Menschlichkeit erhalten.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 22 Uhr 32 (Permalink)
Eine Phase? Deinen Optimismus möchte ich haben.
Was sagt Violine dazu?
21. Mai 2011 um 22 Uhr 34 (Permalink)
Wie gesagt, ich hoffe. Was soll ich sonst tun?
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 21. Mai 2011 um 22 Uhr 35 (Permalink)
Nicht hoffen und Pillen schlucken.
Was sagt psychoMUELL dazu?
22. Mai 2011 um 09 Uhr 22 (Permalink)
Kollegen sind nie Freunde, sondern immer Konkurrenten!
Was sagt JoeTo dazu?
22. Mai 2011 um 11 Uhr 09 (Permalink)
Arbeits- und Freundschafts- bzw. Beziehungsebene würde ich nicht vermengen.
Freunde können dumm, aber nett sein, das stört nicht. Dumme Freunde können sehr lustig sein. Ich würde sie aber deshalb nicht mit der Lösung komplexer Integrale beauftragen.
Kollegen, die kaum die volle Leistung erbringen, für die sie bezahlt werden, dauernd Fehler machen, können natürlich nett sein; muss man aber dadurch mehr arbeiten und alles Mögliche an Fehlern von ihnen ausbügeln, nachbessern und für diese Personen dauernd mitdenken, ist bei aller Wärme, Liebe und Güte irgendwann die Geduld vorbei. Ewiges Verständnis für berufliches Fehlverhalten hat keiner. Das gleich mit "Kapitalismus" zu verknüpfen finde ich zumindest krude.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 22. Mai 2011 um 11 Uhr 36 (Permalink)
Ich darf das, ich bin verrückt.
Ich finde, wenigstens Tschüß, Ulf! hättense sagen können.
Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.