20. März 2013: Kosovo: Reich an Armut.
Die Arbeitslosenquote beträgt über vierzig Prozent. Es gibt kein Arbeitslosengeld und keine Krankenversucherung. Es gibt eine Art Sozialhilfe für kleine Kinder: 28,50 Euro im Monat (!) für jedes Kind bis fünf Jahren einschließlich. Macht für der meine Freunde Mimoza, Gjevdet und die drei Kinder 57 Euro. Die Lebensmittelpreise sind jedoch nicht so niedrig, dass das auch nur ansatzweise reichen würde*1
Was ist mit der Miete?
Was ist mit den Nebenkosten?
Was ist mitder medizinischen Versorgung?
Was ist mit dem Strom?
Bei Stromkosten von vierzig bis fünfzig Euro monatlich muss man kreativ werden.
Selbst alle Kreativität reicht natürlich nicht, deshalb zahlen viele lieber ihre Stromrechnung nicht als zu verhungern. Je nach der Zahlungsmoral der Haushalte, die an einem Verteiler hängen, wird mehr oder weniger oft der Strom für eine Weile abgestellt, unabhängig davon, ob man nun bezahlt hat oder nicht. Manchmal auch das Wasser. Sehr schön, wenn man sich gerade eingeseift hat in der erbärmlich kalten, weil ungeheizten Dusche. Dank eines Boilers gibt es zwar immerhin fließend warmes Wasser, wenn der Strom und Wasser gerade fließen. Doch sich zum Duschen zu entkleiden erfordert angesichts einer Raumtemperatur, welche den Atem dampfen lässt, reichlich Überwindung. Dabei bin ich recht unempfindlich.
Und irgendwann, wenn man lange genug nicht verhungern wollte, wird der Strom ganz abgestellt. Deshalb zapfen viele Haushalte die Stromversorger illegal an. Doch dies kann tödlich enden: An meinem letzten Tag im vergangenen Oktober reinigte eine (auch noch schwangere) einunddreißigjährige Mutter von fünf Kindern einen Teppich mit einem Nassreinigungsgerät. Durch irgendeinen Defekt stand plötzlich der Teppich unter Strom, und da durch das Überbrücken auch die Sicherungen umgangen werden, flogen diese nicht raus...
Zumindest beim Kochen stört der Terror der Stromversorger nicht, denn gekocht wird meist auf richtigem Feuer. Nur sehen tut man je nach Tageszeit nicht mehr viel, auch Kerzen, die bereitliegen, geben nur wenig Licht. Mein Akkubetriebener Filmscheinwerfer leistete beste Dienste. Im Winter lässt man das Herdfeuer den ganzen Tag brennen, denn nicht jeder Haushalt, so auch der von Mimoza, hat eine richtige Heizung. Ich hatte ihnen im letzten Herbst einen Ofen gekauft*2, so können sie einen weiteren Raum beheizen, in welchem sich die ganze Familie zusammenrollt. Ohne Heizmöglichkeit, also davor, reichte selbst engstes Kuscheln nicht aus, und jedes der Kinder war in einem Winter wirklich schwer krank.
Verfeuert wird alles, was brennt. Außer Holz werden vor allem zum Anzünden neben Verpackungskartons auch Plastiktüten und zum Beispiel leere Schampooflaschen verwendet. Nicht, dass das gesund wäre oder wenigstens gut röche. Briketts wären vielleicht effektiver und gesünder, aber unbezahlbar.
Da so nur einzelne Räume geheizt werden können kühlt das Haus recht gründlich aus. Ich durfte einen Temperatursturz erleben binnen weniger Tage von Frühlingswärme zu Eiseskälte, und die Hütte war wirklich rattenkalt.
Bei einem Skype-Gespräch hatte ich Mimoza angeregt, etwas zu unternehmen. Zum Beispiel mit Ziegen. Als ich nun wieder in Llabjan eintraf, überraschten sie mich mit einem fast fertigen Hühnerstall. Ein wenig basteln noch, und dann fehlten nur noch die Vögel. Ich beteiligte mich an der Investition, denn Initiative ist förderungswürdig, und am nächsten Morgen wurden die ersten Eier geerntet. Das Ziel ist, sie zu verkaufen. Für drei Eier bekommt man immerhin einen Euro, und den Eigenbedarf kann man auch decken. Dies ist ein Anfang. Ein kleiner Anfang vielleicht, doch ein wichtiger Schritt, der Hoffnung schöpfen lässt auf etwas bessere Tage.
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17.314,60 Euro (09.10.2013)
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