09. September 2015: Zwischenstation.
Vor siebzig, achtzig Jahren flohen etliche Menschen aus Deutschland, um nicht dort grausam vernichtet zu werden. Und viele Deutsche wurden aus dem ehemaligen Osten Deutschlands und dem Sudetenland vertrieben. Auch in meiner Familie gab es reichlich Flüchtlinge.
Nun fliehen Menschenunter anderem aus Syrien, weil man dort nicht mehr leben kann, und ich mag nicht einfach auf meinem Arsch hocken. Immerhin haben wir die ehemalige York-Kaserne um die Ecke, welche als Notunterkunft dient. Ein Freund organisierte Kontakt, und so besuchten wir heute einfach mal ein paar dort lebende Menschen. Außer uns waren noch eine dabei, die schon mehr Flüchtlingshilfe gemacht hat und außerdem bei der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr alles mögliche organisiert hatte, und jemand, der auch Arabisch übersetzen konnte.
Ganz so einfach kommt man als Außenstehender dort nicht rein. Anmelden. Tasche gucken. Auch wenn wir hier nicht in Freital oder Heidenau sind, auch hier gibt es Idioten, die ungesunde Gerätschaften wie Molotowcocktails bei sich führen könnten. Ein paar waren schon bekannt (die anderen waren vor einigen Tagen bereits dort gewesen), das war dann eine Art Anknüpfungspunkt. Da einige Englisch sprachen, konnten wir uns auch verteilen.
Übrigens sind nicht nur kräftige junge Männer dort, sondern auch reichlich Frauen und Kinder. Alle froh und dankbar, lebend angekommen zu sein an einem Ort, der sich sicher anfühlt. Früher habe man zwar mehr gehabt, aber hier sei man sicher und lebendig. Man habe einen Platz zum Schlafen, man bekomme Essen, Kleidung und etwas Geld. Alles weitere finde sich. Die erfahrene Kollegin hatte einige Tipps, und ich konnte einem jungen Mann weiterhelfen, der zu gegebener Zeit sein Studium hier beenden möchte.
Alle lernen eifrig Deutsch, manch einer gar mit beachtlichen Erfolgen, aber für Unterhaltung reicht es nicht wirklich- wie auch, nach der kurzen Zeit.
Was fehlt, sind Gemeinschaftsräume (die jedoch in Arbeit sind) und irgendwas mit Bespaßung (auch wenn die andere Sorgen haben wäre das eben schön, denke ich). Solange das Wetter noch taugt, wird draußen, wo das Leben stattfindet, fleißig Fußball gespielt. Je später es wurde desto mehr. Vielleicht machen wir auch mal eine Stadtführung für Interessierte (denn da waren etliche, die Münster genauer kennenlernen wollten, nachdem sie beschlossen hatten, dass das bisher gesehene ihnen gefiel).
Manches holpert natürlich ziemlich. Denn die York-Kaserne ist zum einen nur eine Notunterkunft, die für zwei Wochen Aufenthalt vorgesehen war- de facto sind viele der neunhundert Refugees schon vier Wochen und mehr hier. Und vor allem viel mehr, als geplant. Viele Gebäude der ehemaligen Kaserne sind nicht bezugsfertig, nicht bewohnbar und technisch noch nicht abgenommen. Als wir gingen, konnten wir noch den Leiter der Einrichtung sprechen- dieser erzählte, dass gerade jetzt die ehemalige Turnhalle für weitere zweihundert Menschen vorbereitet, die unterwegs hierher sind. Bis vernünftige Zimmer fertig sind.
Und wir?
Wir können vielleicht nicht viel erreichen. Aber wenn wir ein paar Menschen ein gutes Gefühl des Willkommenseins geben können, dann ist das auch schon etwas wert!
(Fortsetzung volkt)
17.314,60 Euro (09.10.2013)
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