Geschlossene Gesellschaft.
Kategorie: Verrueckt
Als ich den Sommer 2007 auf der geschützten (also geschlossenen) Kriseninterventionsstation wohnte, waren Horrorfilme jeder Art streng verboten. Wegen der Triggerwirkung auf BorderlinerInnen, die hier reichlich
herumwuselten, und auf die PsychotikerInnen, die eventuell Probleme haben könnten, die Filme adäquat zu verdauen.
Einmal allerdings ignorierte Pfleger F., der von oben bis unten tätowierte und gepiercte Lieblingspfleger mit den Rastalocken, der mir nie eine Chance ließ beim Tischfußball, das Horrorfilmverbot und schlug für mich "Shawn of the Dead" als pflegerische Maßnahme zur Schlafförderung vor, denn das war ein echtes Problem. Und- es funktionierte.
Das Verbot hinderte meine Stationskumpelin J. nicht darin, für mich und sie selbst solche Filme einzuschmuggeln. Ich selbst hatte lange nicht wirklich Ausgang. Zwar wurden unsere mitgeführten Taschen grundsätzlich (vor allem auf scharfe Gegenstände für Selbstverletzung, Suizid oder Fremdaggression) untersucht, wenn wir vom eventuellen Ausgang zurückkamen. Ihre Tasche aber weniger gründlich als andere, weil bei ihr diese Gefahr nicht bestand.
Am Wochenende dann wurde die Schmuggelware von uns beiden verwertet. Da war nicht so viel Programm, wir durften länger herumwuseln und vor allem: weniger Personal, welches uns hätte erwischen können. Wir kaperten uns immer den weniger beliebten Tagesraum, sorgten dafür, daß uns niemand stört und warfen meinen Zimmergenossen regelmäßig wieder freundlich, aber nachdrücklich raus. Ich hätte sonst arge Bedenken gehabt, daß er, völlig in seiner Psychose verteilt, sich zum Beispiel vom Dämon aus "Constantine" inspiriert nachts über mich an die Zimmerdecke kleben könnte.
Wir fühlten uns eigentlich wie kleine Kinder: Das wichtigste war der Nervenkitzel, bei etwas Verbotenem erwischt zu werden. Spaß hat es jedenfalls gemacht, zu schmuggeln und heimlich zu tun.
Verzapft am 23. Juli 2011, so um 11 Uhr 02
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