Maulkörbe, Paragraphen und die Freiheit der Andersdenkenden.
Kategorie: Meine unqualifizierte Meinung
Da ich nun den Bischof von Essen wegen Volksverhetzung angezeigt hatte, kommen dazu selbstverständlich auch Kommentare kritischer Natur. Und ich muss sagen, nansy hat mit ihrem Kommentar nicht
ganz unrecht:
Was mal wieder zeigt, welche Auswirkungen der §130 StGB (Maulkorbparagraph)auf die gesellschaftspolitische Diskussion haben kann (jeder, der sich herabgewürdigt fühlt, erstattet einfach mal Anzeige).
Ursprünglich zur Bekämpfung des Klassenkampfes gedacht, mutierte der §130 StGB allmählich zur Schutzklausel der NS-Opfer. Das Problem: Dem Verbot der Volksverhetzung steht das Gebot Meinungsfreiheit gegenüber. Eine zentrale verfassungsrechtliche Forderung gegenüber strafrechtlichen Bestimmungen lautet: ein Strafgesetz muss hinreichend bestimmt sein und dem Einzelnen den Umfang der Strafe verdeutlichen! Auch das kann der §130 StGB nicht leisten.
Der Maulkorbparagraph dürfte wohl eher ein Gesinnungsparagraph sein, in der Nachkriegzeit immer mehr erweitert. Ich würde ihn nicht in Anspruch nehmen wollen.
Wobei §166 (Gotteslästerung) ebenso ein Maulkorb ist, und wenn ich suchen und mich auskennen würde, fänden sich gewiss noch mehr Paragraphen dieser Sorte.
Wenn wir nun Maulkörbe abschafften, ergäbe sich jedoch das Problem, dass vor allem auch dem Nazipack schwerer beizukommen wäre. Denn dann gilt weiterhin: Gleiches Recht für alle! Müssen wir so etwas dann aushalten können? Oder gibt es vielleicht bessere Möglichkeiten, den Öffentlichen Frieden zu schützen?
„Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden, sich zu äußern. Nicht wegen des Fanatismus der Gerechtigkeit, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die Freiheit zum Privilegium wird.“ (Rosa Luxemburg)
Man mag von der Dame halten was man will, aber ich denke, sie hat Recht. Doch wie weit geht das? Ich bitte um Antworten!
Verzapft am 25. Mai 2012, so um 11 Uhr 32
Kommentare
Was sagt Nansy dazu?
25. Mai 2012 um 12 Uhr 25 (Permalink)
Der Ausspruch von Rosa Luxemburg ist gut, aber es gibt ja auch noch die Eräuterung ihrer berühmten "Toleranzforderung",
Zitat:
"Freiheit ist immer die Freiheit Andersdenkender – Meine damit nur die “andersdenkenden” Kommunisten. Für Nichtkommunisten gilt: Der Diktatur des Proletariats gehört der Tag und die Stunde. Wer sich dem Sturmwagen der sozialistischen Revolution entgegenstellt, wird mit zertrümmerten Gliedern am Boden liegen bleiben."
Nur als Randbemerkung, bin da aber nicht so bewandert.
Es ist aber richtig, dass der § 130 ein "Schutzschild" für die NS-Opfer und gegen die Nazis geworden ist. Es gibt halt in Deutschland eine besondere Situation. Insofern bin ich gespalten.
Wenn der § 130 aber in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen als Maulkorbparagraph genutzt wird, geht mir das eindeutig zu weit.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 25. Mai 2012 um 12 Uhr 36 (Permalink)
Es darf keine Sonderwege geben. Gleiches Recht für alle, sonst....
§130 ist finde ich eindeutig. Und deshalb muss er angewendet werden. Denn seine Aussage ist verfassungsfeindlich und wider Art1GG.
(§166 finde ich hingegen eine Extrawurst und insofern unnötig, als dass man das auch über §130 regeln könnte.
Und JA, ich fühle mich vom Bischof herabgewürdigt.)
Was sagt Nansy dazu?
25. Mai 2012 um 13 Uhr 18 (Permalink)
Ulf, was am § 130 ist eindeutig? Wenn Du einmal bei wiki unter "Volksverhetzung" (Ansatz 3) nachliest, wirst Du erkennen, dass sich selbst ehemalige Verfassungsrichter skeptisch zur Strafbarkeit der Holocaustleugnung geäußert haben. Es gibt zu diesem § 130 viel skeptische Meinungen. Und natürlich ist besonders die Holocaustleugnung eine "Extrawurst, wie du so schön gesagt hast.
Du fühlst dich herabgewürdigt? Das passiert uns allen doch täglich: ob Dicke in der Öffentlichkeit als "the biggest loser" tituliert werden, oder Raucher als Süchtige, Nikotinjunkies u.s.w. - eine freie Gesellschaft muß einiges aushalten können, ohne dafür spezielle Gesetze zu schaffen. Natürlich darf man sich wehren (noch besser, wenn es dazu einen gesellschaftlichen Konsenz gibt), aber ob man dafür gleich Anzeige erstatten muß?
§166 abschaffen? Damit habe ich kein Problem. Soweit ich weiß, wird der "Gotteslästerungsparagraph“ aber nur sehr selten angewandt. Außerdem berufen sich inzwischen auch andere Religionsgemeinschaften darauf. Er wird also wohl kaum "abgeschafft" werden.
Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.