Das Reichsfrühstückskreuz mit Lorbeer und Eichenschwertern.
Kategorie: Vergangen
Nein, ich habe mich nicht über ihn lustig gemacht, sondern versucht, ihn dort abzuholen, wo er stand. Körperlich war er noch sehr fidel, er zog sich auch jeden Tag an mit Schlips und Kragen. Deshalb sah er leider auch ziemlich normal aus und fiel nicht weiter auf. Er hätte so auch einen Flug nach Malle buchen können, ohne das etwas aufgefallen wäre. Die Fassade jedoch bröckelte bei etwas weniger unaufmerksamen Hinsehen schnell, und dahinter trat eine ziemliche Demenz hervor. Wegen seiner Unauffälligkeit mußten wir ihn regelmäßig im Hause suchen, denn er ging umher und fand natürlich nicht zurück, machte sich aber nichts daraus und setzte sich dann einfach auf die nächstbeste Sitzgelegenheit.
Nun denn, Frühstück... Eigentlich ist er körperlich in der Lage, sich dieses zurechtzumachen, aber zuerst war der Klappspaten wichtiger, den er und sein Kumpel im Nebenbett beim Reichsarbeitsdienst versust hatten. Sein „Kumpel“, der gut sein Sohn hätte sein können, trug dieses alles mit viel Humor. Naja, ich schaffte es irgendwie den Focus auf das Frühstück zu lenken. Zwei Brötchen, Butter, Wurst, Konfitüre, Kaffee. Eine Herausforderung in diesem Fall für den zum Glück stets gut gelaunten Herrn. Nach fünf mühsamen Anläufen begann er sich doch zu erinnern, wie man sich ein Brötchen schmiert, er konnte dabei sogar beiläufig vom Reichsarbeitsdienst und anderen Unerfreulichkeiten erzählen. Die Art, wie er das tat, ließ darauf schließen, daß der Reichsarbeitsdienst derzeit Gegenwart für ihn war.
Nachdem ich die Tabletten in ihn hineindiskutiert hatte, stellte ich fest, daß er nun zurechtkam.
Beim Einsammeln präsentierte er mir stolz sein sauber und ordenlich abgeräumtes Tablett und schrie geradezu nach Lob. Da zeichnete ich ihn eben aus mit dem Reichsfrühstückskreuz mit Lorbeer und Eichenschwertern. Und wie er da happy war!
Aber nun müsse ich doch nach Hamburg!
„Hamburg? Häh?“
„Naja, Sie haben doch auf der Queen Mary angeheuert?“
„Nein, das war nicht ich, ich glaube, da verwechseln Sie mich. Ich werde nur seekrank. Ich bleibe erstmal bei Ihnen.“
„Ah so“. Und freute sich des Lebens.
Was hier irre komisch klingt, ist eigentlich ungeheuer traurig, sehr schwierig zu händeln, und für die Angehörigen ist es schon mal gar nicht leicht.
Verzapft am 29. Januar 2011, so um 19 Uhr 28
Kommentare
Was sagt Silke dazu?
29. Januar 2011 um 20 Uhr 08 (Permalink)
Jetzt habe ich es verstanden. Hast du gut gemacht.
Was sagt Conny dazu?
30. Januar 2011 um 00 Uhr 17 (Permalink)
Da hätte meine Oma gelacht und sich auch gefreut. Super Einfall. Demenz hat genauso viele Gesichter wie es Menschen gibt - glaub ich.
Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.