Geisteskrank und Spaß dabei II
Kategorie: Verrueckt
Als ich das erste Mal in der Psychiatrie aufschlug, landete ich zunächst auf der Aufnahmestation. Noch in der Nacht stellte die diensthabende Ärztin schnell die Verdachtsdiagnose "Depression". Am nächsten Tag stieß die Oberärztin in dasselbe Horn und sagte, sie wolle mich bei nächster Gelegenheit auf die Depressionsstation verlegen.
Toll. Zu lauter Leuten, die genauso rumsumpfen wie ich. Dachte ich jedenfalls.
Tatsächlich ging es dort beim Abendessen wesentlich ruhiger und gesitteter zu. Aber ich stellte bald fest: Es wurde gescherzt und gelacht. Meist Galgenhumor: "DeprIKEA- lebst Du noch oder hängst Du schon?"
Mein Standardspruch "Hier wird nicht gelacht! Schließlich sind wir depressiv!" hielt sich, wie ich später erfuhr, noch Monate nach meiner Entlassung. Zwar ist das Lachen dort ein anderes. Ein immer noch depressives Lachen. Aber immerhin ein Lachen.
Bald bildete sich um mich auch eine Gruppe, die mit mir unglaubliche Massen schweineleckerer Schokoladenkekse produzierte. Diese Backaktionen nannten wir "Kekstherapie".
Und wir lachten auch über uns und unsere Krankheit. Und über die "Gesunden", die einen verletzten mit Sprüchen wie &Reiß Dich einfach mal zusammen!" oder "Wird schon wieder!" und schlimmerem. Die eigentlich kränker sind als wir, da ihnen das völlig fehlt, was wir zuviel haben: Empathie.
Aber auch wenn wir dort lachten: Depressiv waren wir immer noch.
Verzapft am 14. Mai 2009, so um 05 Uhr 47
Kommentare
Was sagt Mo dazu?
14. Mai 2009 um 10 Uhr 12 (Permalink)
Depri-ikea.... Sehr schön! Genau mein galgenhumor!
Immer wieder schön hier zu lesen- kompliment!!!
Was sagt Ly dazu?
14. Mai 2009 um 10 Uhr 13 (Permalink)
humor hat wer trotzdem lacht.
Der Deprikeapruch ist geil, den merk ich mir.
Meiner lautet ja derzeit: Lebst du noch oder wohnst du wieder
Was sagt MissMoney dazu?
14. Mai 2009 um 10 Uhr 50 (Permalink)
Hehe, diese Art von Humor gibt es wohl auf jeder Station.
Wir haben die Sitzplätze am Tisch nach Städten benannt und dann wie folgt Nahrungsmittel angefordert: "Freiburg Breisgau bittet um Milch aus Hamburg". Neue Mitpatienten waren immer ziemlich verwirrt, wenn sie das gehört haben: "Was will der?"
"Er will die Milch"
In der Tagesklinik habe ich mich immer als Diplompatientin bezeichnet und habe zum Abschluss auch tatsächlich ein Diplom geschenkt bekommen.
Gelacht haben wir sehr viel, anders wäre es auch nicht zu ertragen gewesen.
Was sagt Claudia dazu?
15. Mai 2009 um 18 Uhr 31 (Permalink)
Danke für dieses tolle Weblog, das ich durch einen eher witzigen Zufall gefunden habe. Ich bin über das Bild von "Herrn Freak" bei Monsterdoc auf diese Seite aufmerksam geworden und "Freaks" frappierende Ähnlichkeit mit einem lieben Freund. Habe mich in den letzten Tagen hier bis Ende 2005 durchgelesen. Schön, wenn man auch manchmal lachen kann, so bitter dieses Lachen bisweilen sein mag. Weiter so, Ulf, alles Gute dir und auch allen anderen Betroffenen. Ich drücke die Daumen, dass der Weg fortan nur noch steil aufwärts führt.
Wollte ich einfach mal loswerden...
Was sagt kunstgriff dazu?
15. Mai 2009 um 22 Uhr 25 (Permalink)
Ich hatte mal einen farbigen depressiven Patienten auf der Station, der immer dann, wenn er mal in der Sitzgruppe saß, einfach nur mal nachdenken oder entspannen wollte und dabei angesprochen wurde, ob es ihm denn gut ginge, antwortete:
"Der Neger ist so negativ,
er ist nur grad' im Negertief."
Und dann schallend lachte. Ich sagte ihm dann immer: "Wer lacht, bekommt ein Sedativum, ist schließlich 'ne Psychiatrie hier."
Was sagt olli dazu?
25. Mai 2009 um 12 Uhr 28 (Permalink)
wir sollten mal wieder ne ordentliche pizaatherapie mit anschliessender kuschelstunde beim therapiehund machen...
gruss olli
Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.