Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Nachtschicht.

Kategorie: Verrueckt

Dies ist meine vierte Nacht in Folge. Und ich fühle mich prächtig. Auch wenn anderswo mehr Nächte gekloppt werden, finden die meisten hier bei uns vier Stück als eher viel. Standard sind drei.

Vier Nachtwachen....

Vor eineinhalb Jahren wäre daran gar nicht zu denken gewesen, ich war gerade mit der Wiedereingliederung fertig, und die erste "Testnacht" (nicht allein!) war eine Katastrophe. Früher und bis vor nicht allzu langer Zeit wurde ich des Nachts immer ziemlich depressiv.

Meine Chefin ließ mich ein paar Wochen pausieren, dann kam die nächste Testnacht. Immer mit der Springernachtwache, M., der auch tags bei uns arbeitet und sich auskennt. Für mich war das alles ziemlich anstrengend. Und mein Psychiater wollte mir bei jedem Termin am liebsten bescheinigen, daß ich keine Nachtschicht machen dürfte. Doch ich wollte unbedingt, auch wenn ich das früher immer gehaßt hatte. Aber ich wollte so normal sein wie möglich, so einsatzfähig wie alle anderen, kein Klotz mehr am Bein der Station, keine Leistungsbremse. Darunter litt ich nämlich sehr, daß alle anderen meine Defizite kompensieren mußten.

Irgendwann kamen zwei Nächte. Ging so. Mühsam. Aber immer besser. Dann war M. einmal NICHT mit eingeplant- und ich war ganz allein auf mich gestellt, wie das eigentlich normal ist. Nein, ich bekam keine Panik. Ich machte einfach meine Arbeit. Es ging. Und im vergangenen Januar dann tat ich es: Ich sagte meiner Chefin, sie solle mich wieder ganz normal für Nachtwachen einteilen. Überhaupt ganz normal verplanen. Keine Schonung mehr.

Mittlerweile werde ich auch nicht mehr geschont. Manchmal klingelt das Telephon, wenn Not am Mann ist. Dann sage ich manchmal JA, manchmal NEIN. Ich springe nicht weniger ein als andere. Ich arbeite nicht weniger als andere. Ich bin ein FAST normaler Krankenpfleger.

Verzapft am 21. Dezember 2009, so um 01 Uhr 32

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Kommentare

Was sagt Ly dazu?

21. Dezember 2009 um 13 Uhr 32 (Permalink)

weiß noch wie du darüber geschrieben hast, deine erste nachtschicht allein. und alles geschafft. große freude. immer noch. das war dein weg, und du bist ihn gegangen.

Was sagt Claudia dazu?

21. Dezember 2009 um 20 Uhr 01 (Permalink)

Schön, das zu lesen. Du hast viel erreicht und da kannst du stolz drauf sein. Das Problem beim Wiedereinstieg sehe ich darin, die Balance zu halten zwischen (wieder) so zu sein wie alle anderen und eben dennoch nicht zu sein wie alle anderen. Will sagen, man wirkt vielleicht wie alle anderen und wird dadurch womöglich leicht überfordert oder mutet sich selbst zuviel zu, um endlich wieder mitzuhalten und keinen Sonderstatus mehr zu haben. Und irgendwann ist alles so lange her, dass keiner mehr daran denkt, neue Kollegen nix davon wissen und einen vollkommen normal behandeln, auch wenn es persönlich vielleicht angebracht wäre, einen Gang zurückzuschalten, um das Erreichte nicht zu gefährden oder weil es gerade etwas schwieriger ist. Ist nicht einfach das ganze. Ich drücke dir weiter die Daumen...

Was sagt Krokofantilein dazu?

22. Dezember 2009 um 08 Uhr 48 (Permalink)

@Claudia ich find es immer wieder schön, von Dir zu lesen! Ganz ehrlich!
Dir eine schöne Weihnachtszeit!! smile

Was sagt Claudia dazu?

22. Dezember 2009 um 13 Uhr 02 (Permalink)

Danke Kroki. smile
Ich habe ja leider selbst genügend Erfahrung mit psychischer Erkrankung und anschließendem Wiedereinstieg. Auch heute viele Jahre nach der heißen Phase, in der gar nichts ging, bin ich noch immer nicht wirklich so belastbar wie alle anderen. Noch immer gibt es Situationen, die mir über den Kopf wachsen, wo ich gar nicht weiß wie ich alles schaffen soll und wo die lieben Kollegen (meist Kolleginnen) nur verständnislos mit den Köpfen schütteln. Das schwierige ist da wohl die Gratwanderung zwischen Zähne zusammenbeißen und es auszusitzen oder eben für sich zu reklamieren, dass man (schon wieder!?) Schonung braucht und die anderen dadurch Mehrarbeit haben. Man muss sehr auf sich achten für eine lange, lange Zeit und das ist verflixt schwierig.

Ich wünsche euch zweien auch eine schöne Weihnachtszeit und vor allem ein aufregendes neues Jahr. smile

Was sagt Paul dazu?

24. Dezember 2009 um 01 Uhr 45 (Permalink)

Hallo, habe Ihren Kommentar in der FAZ gelesen und mich ein wenig durch Ihr Blog geklickt.

Meine Hochachtung und weiter so! Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer der Kontakt mit der Öffentlichkeit ist.

Und schon lange wieder ohne Depression bekomme ich mein eigenes Blog nicht auf die Reihe smile .

Was sagt Ulf, der Größte, dazu?

Kommentar vom Scheff hier am 24. Dezember 2009 um 02 Uhr 08 (Permalink)

Tach Paul.
1.: Duz mich gefälligst! wink
2.: Danke für das Lob. Bedeutet mir viel, so etwas.
3.: Vielleicht animiert Dich das, auch wieder zu bloggen?

Eigenen Senf dazugeben?

Es hilft, sich einen Account anzulegen und sich anständig zu betragen. Dann kannste auch kommentieren.

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