Ulf. Mehr oder minder täglich Privatkram.

Die Zeugen sterben aus.

Kategorie: Vergangen

Leider kann ich nicht so lange zuhören, wie ich gerne würde. Denn andere PatientInnen haben auch das Recht, versorgt zu werden. Doch hat jemand die Gabe, spannend zu erzählen aus alten Zeiten, dann kümmert mich das doch etwas.

Fast hundert Jahre hat sie gesehen und ist immer noch fit wie ein Turnschuh. Der Name ist recht verbreitet bei deutschen Juden, und in der Tat hat sie recht viel zu erzählen aus ihrem Leben und Überleben. Wie sie verhaftet wurde und wieder frei kam und vieles mehr.

Die ZeitzeugInnen sterben leider langsam aus. wie auch die beiden Herren, die sich ein Zimmer teilten, vor vielen, vielen Jahren.

Der eine trug seine Blutgruppe auf der Innenseite des Oberarmes eintätowiert. Sein Zimmergenosse war ebenfalls tätowiert. Er trug nicht seine Blutgruppe, sondern eine Nummer.

Wir achteten peinlichst darauf, daß der eine nicht von der Tätowierung des anderen erfuhr, und so verstanden die beiden sich nicht schlecht. Doch- was hätten sie sich andernfalls wohl zu sagen gehabt? Doch ist das Krankenhaus kein Ort für Menschenversuche.

Über die Jahre, die ich nun in der Pflege arbeite, werden diejenigen, die vom Dritten Reich berichten können, weniger. Die meisten werden dement oder sind schon gestorben.

Diese alte Dame jedoch nicht.

Verzapft am 31. August 2010, so um 10 Uhr 42

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Kommentare

Was sagt Verhaltensoriginell dazu?

31. August 2010 um 10 Uhr 59 (Permalink)

Ja, das Leben schreibt die seltsamsten Geschichten...

Gutes Posting!

Was sagt Gunnar dazu?

31. August 2010 um 11 Uhr 30 (Permalink)

Es ist schade, dass so viele Geschichten und so viel wichtige Geschichte mit den Zeitzeugen geht.

Was sagt AndreLev dazu?

31. August 2010 um 11 Uhr 56 (Permalink)

Es ist sogar sehr gut, das dieser Teil der Geschichte bald nur noch in den Büchern steht.
Leider wird er noch viel zu lange als weiterhin in den Köpfen verwirrter Menschen beider Seiten zugegen sein.

Es gibt sogar Vereinigungen, die noch Kaiser Wilhelm hochleben lassen und sich die Monarchie zurück wünschen obwohl die sie negativen Auswirkungen dieser Zeiten niemals wirklich realisiert haben.

Was sagt Barbara dazu?

31. August 2010 um 19 Uhr 30 (Permalink)

Der Kommenator von Dir, AndreLev, irritiert mich jetzt doch etwas... Warum sollte dieser Teil der Geschichte nicht in den Köpfen gegenwärtig bleiben??? Und warum sollen die, die sich daran erinnern, verwirrt sein?????

Was sagt Ulf, der Größte, dazu?

Kommentar vom Scheff hier am 31. August 2010 um 23 Uhr 02 (Permalink)

Um verwirrte Köpfe geradezurücken braucht es Zeitzeugen, die von der Wirklichkeit berichten.

Eigenen Senf dazugeben?

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