Zuviel Selbstbeherrschung ist auch nicht gesund.
Kategorie: Verrueckt
Natürlich finde ich fürchterlich, wenn jemand immer und sofort bei jeder Gelegenheit die Beherrschung verliert. Doch sich zu sehr zu beherrschen, so stelle ich fest, ist auch scheiße. Pardon.
Ich meine mit übertriebener Selbstbeherrschung nicht die Versklavung der Emotionen, das Alles-in-sich-hineinfressen.
Ich bin depressionskrank. Zwar in Remission, das bedeutet,
weitgehend symptomfrei. Aber ein Rest ist geblieben. Wenn ich mich normal nicht gut fühle, würde ein als psychisch gesund bezeichneter Mensch sich nicht nur nicht gut, sondern beschissen fühlen und denken, er sei der ärmste Mensch der Welt. Was aber eine echte Depression ist, das weiß er nicht. Zu seinem Glück! Denn das ist wirklich grauenvoll.
Mir geht es eigentlich prima. Aber natürlich nicht immer, und dann fühle ich mich grottig. Wobei ich zufrieden bin damit, denn ich kenne auch die grottigste aller Grotten, und solange ich mich nicht suizidieren will wie früher kann ich auch damit leben.
Jeder Mensch aber ist mal schlecht drauf. Auch jeder gesunde Mensch. Da hat man das Recht zu! Und ich habe, wie jeder Mensch im Allgemeinen und als Depressionskranker im Besonderen das Recht, mal schlecht drauf zu sein. Ist selten genug, wenn auch in letzter Zeit wieder etwas häufiger. Nur lasse ich nicht die ganze Welt daran teilhaben, indem ich mit einer Leichenbittermiene herumlaufe und den Depressiven heraushängen lasse in der Hoffnung, bemitleidet zu werden. Aber ich möchte dann auch bitteschon, daß dies respektiert wird. Allerdings bemerken depressionsunerfahrene psychisch gesunde Menschen die kleinen Signale nicht, und selbst wenn ich sage: Mir geht es nicht so gut, ich kann das jetzt nicht so gut haben, dann kommt ein spöttisches Ja, ja!, als wäre das bloß eine faule Ausrede und ich völlig gesund und unverwundbar. Einfach nur, weil ich so fit bin, daß ich mich noch zusammenreißen kann.
Das verletzt mich furchtbar. Denn diese Menschen wissen durchaus, was ich hinter mir habe. Und ich setze alles daran, nicht wieder dort hinzukommen. Ich lasse mich ja schon kaum schonen. Deshalb fände ich ein wenig Rücksichtnahme in den seltenen Fällen, in denen ich sie wirklich brauche, sehr freundlich.
Nein, angebracht.
Denn wenn ich mich gerade wie ein Versager fühle, weil ich sehr vergeßlich bin, unordentlich und mittelprächtig organisiert, inkompetent und so weiter, dann kann ich gar nicht brauchen, nicht ernstgenommen zu werden. Das bestärkt mich dann in dem Gefühl, unfähig zu sein und wertlos.
Leute, jedem geht es doch mal nicht gut. Bin ich der einzige,dem es nie schlecht gehen darf?
Verzapft am 17. Januar 2011, so um 07 Uhr 47
Kommentare
Was sagt Silke dazu?
17. Januar 2011 um 09 Uhr 55 (Permalink)
Das ist bestimmt gar nicht bös gemeint. Man kann dir vielleicht nicht immer ansehen, wann es dir ernsthaft beschissen geht.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 17. Januar 2011 um 10 Uhr 07 (Permalink)
Nein, böse gemint ist das vielleicht nicht, nur bist Du in dieser Situation nicht in der Lage, das so zu sehen. Depression und Vernunft verträgt sich meistens schlecht. Sonst wäre das Leben sehr viel leichter.
Was sagt Stefan dazu?
17. Januar 2011 um 10 Uhr 47 (Permalink)
Ich glaube eher, vielen Menschen ist es egal, weil sie mehr mit sich beschäftigt sind. Sie wollen sich gar nicht erst die Mühe machen, in die Gefühlswelt der Mitmenschen einzutauchen, weil es für sie Mehrarbeit bedeutet.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 17. Januar 2011 um 11 Uhr 04 (Permalink)
Die meisten in meinem Umfeld sind nicht so, Stefan. Eher unerfahren in diesen Dingen. Ich nehme ihnen das nicht übel, wenn ich mich erholt habe.
Scheiße, zur Zeit bin ich doch ein wenig dünnhäutig.
Was sagt psychoMUELL dazu?
17. Januar 2011 um 12 Uhr 19 (Permalink)
@Silke
wenn Ulf sagt, es gehe ihm momentan nicht so gut - was hat das mit Ansehen zu tun?
Viele Menschen hören doch eh nicht zu, wenn man sagt, es gehe einem nicht so besonders.
Was sagt Ly dazu?
17. Januar 2011 um 12 Uhr 59 (Permalink)
zwei Dinge:
zum einen hab ich die Erfahrung gemacht, das andere Menschen die nicht betroffen sind oder nicht wirklich mit umgehen können wies dir geht, sich etwas fürchten. Und zwar davor dass ein Faß augemacht wird, werden könnte, oder evtl auf sie zukommt, Signale werden übergangen. Tagesordnung.
Weil sie dem
A: entweder nicht gewachsen sind,
B: wo sie einfach nicht wollen, zb weil sie eigene Baustellen bei sich oder im Umfeld haben, oder weil sie einfach nicht wollen.
C: sie wissen nichts zu sagen dazu, können nicht sagen, sind darin hilflos oder aber einfach schlicht unempathisch.
D: Tagesordnung ist sicher kein emphatischer Weg, aber eine Möglichkeit gar nicht das Thema an sich rankommen zu lassen.
E: Die Haltung "irgendwann muss doch mal gut sein" betrifft dann die ungeduldigen.
Das tut weh. Klar. Ist jedoch alles deren Recht. So meine Haltung dazu inzwischen, die Leuts sindunterschiedlich.
Auch meine Haltung inzwischen, klar schwanke ich auch ab und an und bin dünnhäutiger, aber schlussendlich:
Das ist nicht mein Problem. Bzw ich will das von anderen wie die sich verhalten nicht zu meinem Problem machen.
Dafür aber schaue ich mir mal an, was das Gefühl ich werde zurückgewiesen, alleingelassen, nicht verstanden mit mir selbst zu tun hat.
Möglichkeiten:
Ich akzeptiere obige Punkte und gehe oberflächlicher aber trotzdem normal und gut mit dem andren um, sofern kein völliges Arschloch,
erwarte jedoch von diesem Mitmenschen in Hinsicht Empathie null komma null,
Oder, wenn ich feststelle, ich könnte überhört worden sein, werde ich deutlicher.
Hier dann die Frage obs mir das Wert ist.
Grundfragen an mich: Was erwarte ich von dem anderen? Ist dies der richtige Ansprechpartner?
Ob ich nicht besser "einfach" meinen Selbstwert zurechtrücke?
Der andre nimmt dich eh wahr irgendwie, so oder so, warum entlastet es mich wenn er meine Signale wiederspiegelt in Form einer Reaktion darauf?
Der andre macht sich mit Sicherheit gar nicht den Kopp den ich mir grad mache??
So oder so, innerliche Abgrenzung ist wichtig, die liegt bei dir. Abgrenzung ist ein Zauberwort. Und Authentizität. Für dich ist das wichtig, nicht für die andren, der Rest ergibt sich von selbst. Dann kann vieleicht morgen die Sonne wieder lachen.
Was sagt Ly dazu?
17. Januar 2011 um 13 Uhr 05 (Permalink)
hups, vergessen:
erster Post war das erste ding, das zweite folgt sogleich:
Auch sehr gesunde Menschen haben Selbstzweifel ob sie alles richtig machen, haben Tiefs, sind durchn Wind schon mal, bekommen mal nichts geregelt,
gesunde Menschen kennen alles was du kennst auch, allerdings in milderer Form, sie gehen, individuell verschieden, anders damit um.
Der Umgang mit dir selbst ist dein Schlüssel. Damit bestimmst du letztlich, ich weiß man ist nicht immer superaufmerksam, welche Türe du öffnest. Hinter der einen Tür liegen die Schatten, ganz klar man darf sie nicht vergessen, hinter der andren der Sonnenschein und die Kraft.
Was sagt Ly dazu?
17. Januar 2011 um 13 Uhr 16 (Permalink)
ach so, "jaja" würd ich innerlich ahhaken!
Du bist wichtig, nicht was "jaja" meint denkt oder kommentiert. Sofern Umgang von Nöten, eben distanziert aber mit üblicher Höflichkeit. "jaja" ist es nicht wert genug überzeugt zu werden.
Du bist es wert, Emotionen zu "jaja", auch das Loch in das du dadurch fallen kannst, als auch andere, als unnötig zu betrachten, warum "jaja" Emotionen schenken, denn Emotionen sind wertvoll.
"jaja" ist deutliche Ablehnung. Nicht jeder hat Verständnis, nicht jeder muss dich lieb haben! Nur die Menschen die dir wichtig sind.
Ist "jaja" wichtig?
Grüße
Ly
Was sagt Ly dazu?
17. Januar 2011 um 13 Uhr 23 (Permalink)
falls jetzt nochmal kommt, sorry, von wegen nicht böse gemeint..
Ich kann "jaja" nicht wirklich beurteilen, aber es gibt durchaus Leute die so blicken lassen wie sies meinen, und das ist dann durchaus auch böse gemeint, es hat Ulf verletzt. Wer so leichtfertig verletzt ist jedenfalls mal in meinen Augen nur "suboptimal". Basta
Die Welt und die Mitmenschen sind kein Kuschelheim, das schafft man sich in seinem Umfeld, aber da gehört nicht jeder rein, ob man zu tun hat miteinander ist eben ein anderes Blatt..
so, gut jetzt!
Was sagt Ly dazu?
17. Januar 2011 um 13 Uhr 32 (Permalink)
ne, der geht noch:
Du schreibst im Kommentar, von wegen den andren ist es egal:
"Die meisten in meinem Umfeld sind nicht so, Stefan. Eher unerfahren in diesen Dingen. Ich nehme ihnen das nicht übel, wenn ich mich erholt habe. "
ah, das Harmoniebedürfniss. Ist auch mein Thema. Frage: warum soll ich mit denen wos wehtat wenn ICH wieder auf Reihe bin wieder "kuscheln".
Nicht ich bin nur einfach superempfindsam und dünnheutig gewesen, also nicht nur ich habe die Verantwortung. Warum soll auch alles verziehen sein, das ist der Wunsch nach Harmonie.
Wenn ich die die mir wehtaten innerlich rausschicke und punkt, haben sie auch in Zukunft wenns mir wieder schwächer geht keine Chance dazu.
Mein Freund sagt in so Dingen zu mir, in Anlehnung an den gleichnamigen Film:
"und täglich grüßt das Murmeltier".
Mach was aus dem was ich schrieb, ich weiß von mir, und auch von anderen, auch gesunden Leuten die man mal erinnern muss wenn sie selbst grad bissel hängen, das dies ein sehr guter Weg sein kann.
Was sagt kall dazu?
17. Januar 2011 um 14 Uhr 32 (Permalink)
Was Depression angeht, kann ich nicht mitreden (noch?) nicht betroffen.
Was mir allerdings auf den Keks geht, ist die Frage nach meinem Befinden, die in 90% der Fälle nicht ernst gemeint ist.
Wenn ich dann ehrlich antworte, und es kommt nicht die erwartet Antwort "super" oder "ganz toll", dann schaut man blöd aus der Wäsche. An einer differenzierten Antwort ist niemand interessiert.
Ich mag dieses amerikanische Spiel, bei dem es auf die Frage "How are you?" nur eine erlaubte Antwort, nämlich "Fine!", gibt, einfach nicht.
Leute, wenn ihr nicht wirklich wissen wollt, wie es mir geht, dann fragt halt nicht danach.
Was sagt Ulf, der Größte, dazu?
Kommentar vom Scheff hier am 17. Januar 2011 um 22 Uhr 21 (Permalink)
@Ly: Weia, viel Input. Nicht böse sein, wenn ich das nicht sofort bearbeite, ich muß erstmal die Nachtdienste ausschwitzen.
Was mich sehr stört ist, daß mich meine Dünnhäutigkeit latent aggressiv macht. Als wenn ich die Aggression nicht mehr nur gegen mich selbst richte. Ich frage mich manchmal, woher diese Wut kommt, denn letztendlich bin ich meinen Gefühlen gegenüber doch machtlos.
Was sagt Ly dazu?
18. Januar 2011 um 11 Uhr 26 (Permalink)
@ Ulf:
ist auch viel, ich gebs zu, basiert auf dem was du schreibst und wies dir in der Situation geht, weil ich das kenne.
Klar ist das nicht schnell zu schlucken, besonders wenns dem eigenen etwas zuwiederläuft, muss man drüber nachdenken.
Kenne auch "jaja"s, meine eigene Mom ist eine "jaja", allerdings hauptsächlich dann wenns mir ausgesprochen gut geht kommen die Sprüche, und wenns mir dann nicht mehr gut geht kommt "jaja" hinterher.. Muss man nicht verstehen, hauptsache ich und meine Schwester (nicht betroffen von sowas) kapiern das inzwischen.
Langer Weg, aber fruchtet, wie ich mit umgehe, in andren Begegnungen wenn ichs gebacken bekomme auch, gehts gleich viel besser. Bekomm ichs nicht gebacken gehts mir richtig scheiße.
dein zweiter Absatz:
Du bist deinen Gefühlen gegenüber nicht machtlos, wenn du diese nicht ablehnst.
Gefühle jeder Art gehören zu dir,wie zu jedem andren auch. Werte sie nicht ab, nicht die eine Emotion, nicht die andere, alle Emotionen gehören zu dir und machen dich zum Menschen.
Nur wenn du die eine oder andre völlig unterdrückst, was ja ein Auslöser/Kennzeichen für Depressionen ist, es wird gleich das ganze Paket "Emtionen" unterdrückt wenn du auch nur eines richtig unterdrückst, bei den allermeisten ist es Wut und Aggression die sie nicht da ablassen wo sie hingehören, da ist eine große Verbotszone, und dann kommen sie durch die Hintertür, und richten sich gegen dich selbst, weil gegen den anderen darfst du ja nicht, sagt dir dein innerer Richter, und du kannst dir und deinen Gefühlen nicht mehr folgen.. ja da bist du dann erstmal machtlos, nur dein innerer Richter hat Macht, aber wer ist der ( oder die ) denn eigentlich? Wer hats beigebracht! Man sich selbst, um zu überleben? Um lieb gehabt zu werden? Um Anfoderungen von aussen erfüllen zu können? Wessen, weil die Allgemeinheit tickt anders!
Wenn vor 2000 Jahren jemand die andre Wange auch noch hinhielt, war das damals revolutionär, aber kaum ne Sau hält sich bis heute dran, und die sich dran halten sind entweder sehr sehr fest im Glauben, oder bekommen ein Problem.
Das auch mal Aggressionen rauskommen halte ich für völlig natürlich. Tret doch mal gegen das Schienbein.
Hey, jemand, egal wer, tut dir weh, was wundert dich dass du aggressionen verspürst, das ist überaus menschlich, und man muss sich auch mal wehren, innerer Richter hin oder her, das muss mal raus, sich da Luft machen wos hingehört. Das ist gesund. Lass doch die anderen vermeintlich denken was sie wollen.
In dem Maße wie du das für dich akzeptieren lernst, bekommst du auch Kontrolle über deine Affekte, und kannst auch einen Schienbeintritt kontrollieren, meine Erfahrung ist dass mir dies auch Respekt mir gegenüber einbringt, und jemand vor dem man Respekt hat, den geht man nicht mehr so schnell unter die Gürtellinie an. Verstehen muss mich mein Gegenüber nicht, aber Grenze erkennen, und diese Regeln, die kennt jeder.
Wer meint ich sei jetzt aber nu gar nicht lieb oder "anständig" gewesen soll mir mal den Buckel runterrutschen!
Ja, du darfst auch mal böse und sauer sein, und das auch zeigen.
Warn langer Weg bei mir Ulf.
Wenn ichs schaffe diese Haltung auch konsequent beizuhalten hab ich ne Menge Luft zum atmen, weil auch Wut und Agressionen Lebensenergie sind, die ich mir vorher abgeschnitten hatte.
Es wird umso heftiger die Agression und die Wut, ( wenn du sie denn mal spürst) desto länger du sie aufstaust, zb weil du dich regelmäßig in vergleichbaren Situationen nicht wehrst. Zudem denkst du es liegt bei dir wenn du aggressiv bist, dabei macht dich etwas aggressiv das von aussen kommt, und wenn du wieder auf Höhe bist, ..
Wenn du dich jedoch regelmäßiger wehrst, wird es nicht mehr so heftig, und richtet sich parallel weniger gegen dich selbst,
und muss sich auch nicht ein Ventil in unverfänglicheren Sachen suchen.
Ich habe seit langem keine Depressionen mehr, überhaupt keine. Hab mit anderen Dingen zu kämpfen, aber da komm ich auch noch hin das da mal gut ist, aber Depressionen sind mir für mich fremd geworden.
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