Der Noctor und das liebe Vieh.
Kategorie: Vergangen
Gegen Viertel nach Zehn am Abend des Unabhängigkeitstages der Vereinigten Staaten von Amiland war's, da mich meine Gattin, in Brunos Begleitung, von der Bushaltestelle abholte. Den auch um diese Zeit noch recht ordentlich befahrenen Albersloher Weg zu queren galt es, zu welchem Zwecke an der Kreuzung eine Ampel stand.
Bruno, der wieder ein paar Tage bei uns weilt, hat mittlerweile gut gelernt, dass er dort zu sitzen hat. Meistens. Wenn nicht, sieht er meistens ein Karnickel, eine Katze oder eher einen anderen Hund. So bemerkten wir ihn.
Er war alleine, ohne Leine, und machte einen etwas belämmerten Eindruck, allerdings anders als Bruno. Und er hub an, die Ampel zu überqueren-
bei Rot. Und niemand war zu sehen, der ihn aufgehalten hätte. Ein hübscher Golden Retriever, soweit ich weiß nicht billig in der Anschaffung, und nun in Gefahr. So überquerten wir, als es trotz Rot sicher genug war dafür, unsererseits die Ampel, trafen ihn auf der Insel und packten ihn schleunigst am gücklicherweise vorhandenen Halsband. Und brachten ihn erstmal in Sicherheit auf die Seite, von der er gekommen war und wir mussten.
Weit und breit kaum jemand zu sehen, und niemand, der sich für den Retriever interessierte. Ein Rüde, nicht kastriert... vielleicht war er ausgebüxt, um einer läufigen Hündin nach- und diese anschließend zu besteigen.
Am Halsband aus rotem Kunststoffgewebe hing nichts, womit man ihn hätte identifizieren können. Und nun? Das Tier wirkte etwas ratlos, grundsätzlich freundlich und gehorchte mir nicht. Später versuchte ich es mal mit „sit!“ (schließlich wohnen hier viele Thommys), das funktionierte anscheinend manchmal etwas weniger gar nicht.
Bruno wurde nervös.
Wir entschieden, das Vieh erstmal mit nach Hause zu nehmen. Erstens war er aus der Richtung gekommen, und vielleicht begegnete uns ja jemand suchenderweise. Nada- die einzige Begegnung, zwai ältere Damen, die in einem Automobil auf irgendetwas warteten, kannten das Tier nicht. Zweitens könnte man sich zu Hause erstmal gemütlich setzen, die Polizei anrufen und den Hund zur Ruhe kommen lassen. Und so geschah es. Fast jedenfalls.
Mangels zweiter Leine wurde der Fremdling in unbequemer und lächerlich aussehender Haltung direkt am Halsband gegriffen und einen Drittelkilometer weit nach Hause geschleift.
Bruno bekam langsam die Pimpernellen. Sehr viel kleiner als der andere war er zwar nicht, und der hatte auch nichts von Dominanz oder Aggression gezeigt, sondern ihn eher übersehen, aber darum ging es offensichtlich nicht: Bruno hatte ganz offensichtlich einfach nur panische Angst, nun abgemolden*1 zu sein, nicht mehr geliebt zu werden und dergleichen. Er gehorchte wie noch nie- obwohl ich nur versuchte, den anderen Hund zu kommandieren. Er quiekte auch nur ein wenig, doch bellen tat er nicht. Sonst ist das anders. Er versuchte auch nicht zu dominieren. Nichts, nur nackte Angst in Brunos braunen Augen.
Der andere sagte gar nichts, nur einmal gab er kurz eine Art Bell von sich. Und tapste langsam, aber sichtlich verwirrt und unruhig durch die Wohnung und wirkte sehr angespannt. Hätten wir ihn über Nacht behalten müssen, ich glaube, Bruno hätte sich niemals davon erholt. Doch der freundliche Polizist hatte einen Transport zum Tierheim bestellt, nachdem er auf seiner Vermisstenliste nichts gefunden hatte außer einen Dackel (das passte nicht ganz) und einen Wellensittich. Neee, sagte ich, meine Frau mag Vögel nicht so, das hätte zumindest sie gemerkt.
Bruno tat uns leid, aber was sollten wir machen?
Ich nahm unsere Leine- wenn Bruno nicht an dieser hing, dann konnte ja der Retriever daran hängen...
Bruno machte sich sofort bereit zum Aufbruch. Ich nahm jedoch den Fremdenhund mit raus, damit Bruno wieder Alleinhund sein konnte in seinem Revier, in das der Fremdling so verstört-verstörend eingedrungen war- ganz ohne zugehöriges Frau- oder Herrchen*2, alles unklar...
So wartete ich vorm Haus und genoss die Abendstimmung, während der Fremdhund zwar noch immer hechelte, aber doch sichtlich ruhiger wurde. Aber nicht heller in der Birne. Manchmal stand er auf und ging ein paar Schritte, bis er irgendwann von hinten seinen Kopf auf meine Schulter legte. „Plötzlich verschmust?“ dachte ich. Ehe ich jedoch darauf kommen konnte begann er mich schon zu umklammern und leidenschaftlich zu ficken. Irgendwie konnte ich mich aus den Klauen dieses zentnerschweren Lustmolches befreien, bis dann ein städtisches Fahrzeug kam. Ich dachte zuerst, es sei die Müllabfuhr. Ich gab den netten Männern eine Visitenkarte mit, falls im Tierheim irgendwas Ansteckendes herauskommen sollte, und ging wieder rauf.
Bruno war sichtlich erleichtert, dass ich allein war.
Verzapft am 05. Juli 2012, so um 00 Uhr 07
Kommentare
Was sagt Chrissi Flauschkraehe dazu?
05. Juli 2012 um 10 Uhr 21 (Permalink)
Ist uns auch schon passiert - mit einem Dobermann. Aber ein sehr freundlicher, der mir nach Kommando "c'mon" (ansich nur aus verzweiflung gesprochen) folgte, als ob er sein restliches Leben nichts anderes tun würde. Der Bursche hieß James und war in einem anderen Viertel ausgebüchst, als er auf der Hintermhauswiese eine Katze sah... an der er die Lust verlor, nachdem er sie hatte, beschnüffelte und feststellen musste, ist doch kein Gulasch aus der Dose. (Seine Herrschaften waren zu langsam für Ihn, Nachbars Junge mit seiner Cam aber nicht, daher die Info!)
Ich würde jederzeit wieder einen herrenlosen Hund einfangen und mitnehmen, auch auf die Gefahr hin, dass er mir die Bude zerpflückt. Ein Hund kann eben nicht sprechen und fragen, wo er hin muss...
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